INDIA
Intelligente Diagnose in der Anwendung
- Hamburger Arbeiten -
Die Indianer:
Projektstruktur
Wie bereits zuvor erwähnt, setzt sich das Projektkonsortium in INDIA aus Forschungsinstituten, Systemhäusern und Endanwendern zusammen. Der Sinn dieser Strukturierung ist darin zu sehen, daß sowohl ein Transfer von Forschungsergebnissen in die von Systemhäusern entwickelten Modellierungs- und Diagnosewerkzeuge, als auch ein Transfer des Stands der Technik in die industrielle Anwendung stattfinden soll. Da außerdem, gleich zu Beginn des Projekts, mit einsatzfähigen Werkzeugen in die Anwendung gegangen werden soll, ist das Konsortium vertikal in drei ,Anwendungsgruppen" organisiert, bestehend aus je einem Forschungsinstitut, einem Systemhaus und einem Endanwender. Darüberhinaus sind anwendungsübergreifend horizontale Aktivitäten (zwischen Mitgliedern der Anwendungsgruppen) vorgesehen, die den
Austausch von Ergebnissen, Softwaremodulen etc. umfassen.
Übersicht über die geplanten Arbeiten
Die in INDIA vorgesehenen Arbeiten gliedern sich in fünf Themenbereiche:
- Realisierung von Anwendungen
- Integration von Produktdaten und Diagnosewissen
- Methoden der Modellierung und Modellverwaltung
- Methoden der Diagnose
- Öffentlichkeitsarbeit.
Hamburger Schwerpunkte in INDIA (insbesondere LKI) :
Zur Hamburger Anwendungsgruppe" gehören das Labor für Künstliche Intelligenz der Universität Hamburg (LKI), das Mikroelektronik Anwendungszentrum (MAZ) und die Firma STILL. Gemeinsam werden sie die Anwendung ,Transportfahrzeuge" in INDIA bearbeiten.
Zur Motivation der geplanten Arbeiten werden im folgenden die Voraussetzungen geschildert, unter denen die Hamburger Anwendungsgruppe das Projekt starten wird. Die Ausgangssituation stellt sich folgendermaßen dar:
- Der Diagnosekoffer von STILL.
Mit der Einführung einer neuen Fahrzeugreihe im Frühjahr 1995 wurde im Service der Firma Still ein Diagnosekoffer eingeführt, der einen PC, eine Meßeinheit, eine Kommunikationseinheit, sowie einen Drucker enthält. Auf dem PC ist ein post-mortem-Diagnosesystem installiert, welches in einem Vorgängerpro
jekt von LKI, MAZ und STILL gemeinsam entwickelt wurde. Meß- und Kommunikati
onseinheit dienen der Datenerfassung, dem -austausch und der Kommandoeingabe für Gabelstapler (Steuerrechner) und/oder Diagnosesystem.
- Das Werkzeugsystem DiaMon des MAZ.
DiaMon basiert auf einer fehlerklassenorientierten Repräsentation, wobei die Fehlerklassen durch den Entwickler interaktiv definiert werden müssen. Das Prinzip dieses Verfahrens beruht darauf, daß der Entwickler soweit wie möglich während der Erstellungszeit die möglichen Fehler und ihre Zusammenhän
ge, die zur Bestimmung von Fehlern notwendigen Überprüfungen sowie die Reparaturmaßnahmen antizipiert. Zusätzlich gliedert der Entwickler den Ablauf der Diagnose durch die Anordnung der Fehlerklassen in Fehlermodulen, die sich weiter zergliedern in Fehlerhierarchien. Das Dialogsteuerungsverfahren interpretiert im Laufzeitsystem diese Strukturen.
- Erfahrungen aus der Entwicklung und dem Einsatz des von LKI, MAZ und STILL
gemeinsam entwickelten Diagnosesystems. Bei einer Untersuchung der mit DiaMon
entwickelten Fehlerstrukturen konnte festgestellt werden, daß die Entwickler unterschiedlichste Kriterien beim Aufbau verwenden. So werden z.B. Fehlermodule typi
scherweise nach zusammenhängenden Funktionsgruppen gebildet. Bei der Einführung von Fehlerklassen und ihren Überprüfungen kommen Kriterien hinzu wie zusammenhängend überprüfbar (z.B. dadurch, daß ein Adapter zur Messung eingesetzt werden muß), größtmöglicher Informationsgewinn, Überprüfung ohne manuellen Eingriff möglich, der durch die Überprüfungen eingestellte Zustand des zu untersuchenden Gerätes
etc. Die Modellebenen werden dabei häufig gewechselt, so daß physikalische, funktionelle, strukturelle, quantitative und qualitative Betrachtungen einfließen. Letztendlich führt die geschickte Kombination der Kriterien zu einem effektiven und effizienten Diagnoseablauf.
Die Hamburger Anwendungsgruppe kann also zu Projektbeginn auf Erfahrungen und Anforderungen aus dem praktischen Einsatz von Post-Mortem-Diagnosesystemen im Service aufsetzen. Eine zentrale Anforderung ist die stärkere Automatisierung der Erfassung und Verwaltung des für die Diagnose benötigten Wissens.
Im Rahmen von INDIA soll dieses DiaMon-Diagnoseverfahren modellbasiert unterstützt werden,
so daß die notwendigen Informationen aus Modellen generiert werden können. Hieraus ergeben sich eine Reihe von Anforderungen, z.B. Umgang mit multiplen Modellen, Wahl der Ab
straktionsebene, Berücksichtigung des Nutzungskontextes etc. Eine weitere Herausforderung entsteht dadurch, daß die Ergebnisse möglichst homogen und ohne große Umstellungen des bisherigen Verfahrens integriert werden müssen. Darüberhinaus sollen für das Entwicklungs
system Schnittstellen geschaffen werden, die es erlauben, im Unternehmen vorhandene Daten zu übernehmen, um eine weitere Kostensenkung bei der Erstellung zu erzielen. Für die Hamburger Anwendungsgruppe sind daher folgende Arbeiten geplant:
- Realisierung von Anwendungen.
Das fehlerklassenbasierte Diagnosewerkzeug des MAZ soll um Repräsentationskonstrukte und Funktionen zur modellgestützten Generierung von Fehlerstrukturen erweitert werden, um eine kostengünstigere Erstellung von fehlerklassenbasierten Laufzeitsystemen zu ermöglichen. Um möglichst frühzeitig
Rückkopplung aus der Anwendung zu erhalten, erfolgt die Realisierung in zwei Phasen.
Zunächst soll das Verfahren der interaktiven Definition von Fehlerklassen dahingehend durch modellbasierte Techniken unterstützt werden, daß die mit Komponentenfehlern einhergehenden Symptome durch ein rechnerbasiertes Verhaltensmodell erzeugt werden.
Die hierfür erforderlichen Werkzeugerweiterungen werden unter Rückgriff auf in der Forschung vorhandene Modellierungstechniken und Verfahren realisiert. Der erstellte Werkzeugprototyp wird für die Entwicklung eines konkreten Diagnosesystems bei STILL probeweise eingesetzt. Als Beispiel wird voraussichtlich die elektronische Fahrregelung eines Gabelstaplers modelliert werden.
In der zweiten Phase werden die im Rahmen von INDIA entwickelten Werkzeuge zur Mo
dellierung und Diagnose sowie die Hilfsmittel zur betrieblichen Integration und zur Standardisierung, aufbauend auf dem Prototypen aus der ersten Phase zur Realisierung eines fortgeschrittenen Entwicklungssystems für die STILL-Anwendung eingesetzt. Dieses System wird, gegenüber dem Prototypen aus der ersten Phase, einen höheren Automatisierungsgrad aufweisen. Darüberhinaus soll das im Rahmen von INDIA entwickelte Integrationskonzept zur Anwendung kommen.
- Integration von Produktdaten und Diagnosewissen.
In Zusammenhang mit diesem Themenbereich werden Techniken entwickelt, um diagnoserelevante Informationen, die beim Anwender bereits vorhanden ist, für eine Diagnoseentwicklungsumgebung bereitzustellen. Es wird eine Anforderungsanalyse für Schnittstellen zur Integration von Diagnosesystemen in das DV-technische betriebliche Umfeld erstellt. Um die in einer
Diagnose-Entwicklungsumgebung erstellten Daten zu verwalten, wird eine prototypische Schnittstelle zu einem ausgewählten Produktdatenverwaltungssystem entwickelt.
Die Arbeiten des LKI konzentrieren sich, wie die der anderen Forschungsinstitute auch, vorwiegend darauf, existierende Diagnosetechniken anwendungsgerecht aufzuarbeiten und die methodischen Defizite bei der Modellierung technischer Systeme und der Gestaltung des Diagnoseprozesses aufzuarbeiten. Dazu sind - neben einer Beteiligung an oben aufgeführten
Arbeiten - folgende Arbeiten (die zum großen Teil mit Projektpartnern gemeinsam bearbeitet werden) vorgesehen:
- Modellierung.
Bei der elektronischen Fahrzeugregelung von Transportfahrzeugen handelt es sich (wie bei den anderen INDIA -Anwendungen auch) um ein dynamisches System, das entsprechende Modellierungsformalismen erfordert. Probleme, die bei der Modellierung dynamischer, insbesondere auch rückgekoppelte Systeme für die Diagnose auftreten, wurden bisher meist für den Einzelfall gelöst. Daher ist die Suche nach allgemeinen Strategien zur Behandlung von Dynamik und Rückkopplungen ein wesentliches Anliegen von INDIA . Im Zusammenhang mit dynamischen Systemen wird außerdem ge
prüft, ob traditionelle Methoden aus der Meß- und Regelungstechnik mit Methoden des Qualitativen Schließens kombiniert werden können. Langfristige Effekte, wie z.B. der Verschleiß von Komponenten, spielen in der Praxis ebenfalls eine wichtige Rolle. Daher sollen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, Verschleißeinflüsse zu modellieren. Auf dieser Basis kann der Verschleißstatus des technischen Systems und damit ein realistisches Verhaltensmodell für die modellbasierte Diagnose berechnet werden. Dabei
spielen strukturelle Veränderungen eine besonders zu berücksichtigende Rolle.Die Anforderungen aus der Anwendungsdomäne bedingen die Untersuchung von temporalen Verhaltensabstraktionen und funktionalen Modellen, sowie den Aufbau entsprechender Modellbibliotheken. Unter funktionalen Modellen werden Beschreibungen verstanden, die Funktion bzw. Zweck einer Komponente in einem bestimmten Kontext wiedergeben, indem sie von bestimmten, im aktuellen Kontexte unwichtigen Aspekten des Verhaltens abstrahieren. Daß es sich dabei um eine wichtige Modellierungsklasse handelt, hat sich bei der Realisierung der STILL-Anwendung gezeigt. Das manuelle Entwerfen von Fehlerklassen durch die Experten beruhte entscheidend auf einer Gruppierung von Komponentenfehlern im Hinblick auf die von den jeweiligen Komponenten unterstützten Funktionen. Temporale Verhaltensabstraktionen sollen auf ihre Einsatzmöglichkeiten im Hinblick auf die Behandlung von komplexer Dynamik und Rückkopplungen untersucht werden. Die entsehenden Modelle müssen in den Rahmen der Modellabstraktion eingebettet werden.
Darüberhinaus müssen Grundlagen geschaffen werden, um Modelle bzgl. ihres Nutzens für die Diagnose und der verursachenden Kosten bewerten zu können. Auf dieser Basis können dann geeignete Diagnosestrategien definiert werden, die nutzungskontextbezogen die nächste Diagnoseaktion festlegen.
- Diagnose.
Durch Hinzuziehen von Techniken der modellbasierten Diagnose erscheint es möglich, das Erstellen von Fehlerklassen für eine fehlerbaumorientierte Diagnose entscheidend zu erleichtern. Dabei könnten die mit Komponentenfehlern einhergehenden Symptome durch eine modellbasierte Verhaltensanalyse weitgehend automatisch erzeugt werden. Auch für die Gruppierung der Fehler in Fehlerklassen und ihre Organisation als ein Fehlerbaum wird nach einem weitgehend automatischen Verfahren gesucht, das Einbringen von Nutzerkriterien ermöglicht. Bei Verwendung einer modellbasierten Generie
rung können Fehlerbäume als eine kompilierte Form der modellbasierten Diagnose angesehen werden.
Mit den zunehmenden Möglichkeiten wissensbasierter Diagnosesysteme wächst auch der Bedarf an Kontrollstrategien, wobei die Gegebenheiten in industriellen Anwendun
gen stärker als bisher berücksichtigt werden müssen. Dieser Bedarf soll zumindest teilweise gedeckt werden, wobei z.B. auf einer Kosten/Nutzen-Analyse für Modelle aufgesetzt werden kann.
Darüberhinaus soll die Möglichkeit untersucht werden, Künstliche Neuronale Netze zur neuronalen Modellierung von komplexen Situationen einzusetzen, in denen viele Systemgrößen in schwer analysierbarer Weise zusammenwirken.
Hier befindet sich das ultimative BALLABO . Dieses wurde zwar für BEHAVIOR eingerichtet, ist aber auch für INDIA von Bedeutung.
LKI KOGS
(Computer Science Department)
Letzte Änderung: 14/4/97
Lothar Hotz